Als Qualzucht bezeichnet man bei der Züchtung von Tieren die Duldung oder Förderung von Merkmalen, die mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen für die Tiere verbunden sind. Betroffene Tiere werden auch als Qualzüchtungen bezeichnet.
Durch eine zufällige Mutation ist vermeintlich 2015 bei Degus eine Fellveränderungen aufgetreten, die durch Inzucht reproduzierbar gewesen ist. Nach dem derzeitigen Kenntnissstand handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine sog. Rex-Mutation, die auch schon bei anderen Tierarten (z.B. Meerschweinchen) aufgetreten ist. Das Fell der Tiere erscheint bei dieser Mutation unterschiedlich stark gewellt. Teilweise sind Tasthaare in unterschiedlicher Ausprägung mit betroffen. Je nachdem wie stark der Grad der Rex Vererbung bei einem Tier vorliegt, können in einer ungünstigen Verpaarung mit einem ähnlich stark ausgeprägtem Rex-Tier in der Folgegeneration Nackttiere entstehen. Das Fehlen von Fell- und Tasthaaren als auch stark gekrümmte Tasthaare ist jedoch bei Degus definitiv als Qualzucht anzusehen, weshalb von einer Weiterzucht von Rex-Tieren unbedingt abgeraten wird und infolgedessen Rex-Degus als Qualzucht eingeordnet werden müssen.
Sind diese Haare weggezüchtet oder gekringelt, gleicht das wie der Erna-Graff-Stiftung (hier zum Thema Katzen) zufolge dem Fehlen eines kompletten Sinnesorgans.
Fazit:
Aufgrund der nur sehr schwer zu kontrollierbaren Gefahr, dass Tiere in der Zucht Folgegenerationen mit zu stark gekrümmten oder komplett fehlenden Tast- und Fellhaaren zur Welt bringen könnten, sowie der potentiellen Möglichkeit Nackttiere zu erzeugen, muss man Rex-Degus als „Qualzucht“ einordnen. Das Risiko, dass durch zukünftige falsche Zucht, bzw. unkontrollierbare Vermehrung in „Kinderzimmerzuchten“ oder durch ungenügende Sachkenntnis Degus mit diesen Qualzucht-Merkmalen zur Welt kommen, ist einfach zu groß.
Schlussfolgerung zur Zuchtthematik:
Degus mit gekrümmten oder verkürzten Tasthaaren / Vibrissen sollten nicht zur Zucht eingesetzt werden. Nackttiere sind für jede Tierart eine Qualzucht.
Zu Degus liegen bisher noch keine wissenschaftlichen Beweise oder Untersuchungen zum Thema Qualzucht vor, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, dass die genannten Probleme auf Degus genauso zutreffen wie auf andere Kleintiere bzw. Tiere allgemein. Daher sollte diese Zuchtform nicht unterstützt werden.
Beispiele für Qualzuchten anderer Tierarten:
Rex- und Nackt-Zuchten gelten bei vielen Tierarten als Qualzuchten. In Deutschland sind Qualzuchten nicht erlaubt, allerdings ist die Definition dieses Gesetzes weit auslegbar und gibt somit wenig genaue Abgrenzungen vor. Empfehlungen vom Deutschen Tierschutzbund liegen vor, sind jedoch leider nicht zwingend.
Verantwortungsbewusste Deguzüchter und –halter können helfen, damit Degus nicht unnötig leiden müssen, bis die Gesetzgebung nachzieht, so wie in anderen Ländern bspw. Österreich.
§ 11b Tierschutzgesetz Deutschland
Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […] wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht […] oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.
Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […] wenn damit gerechnet werden muss, dass bei den Nachkommen
a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten oder
b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
c) deren Haltung nur unter Bedingungen möglich ist, die bei ihnen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führen.
Die Neufassung des Paragraf 11b Abs. 1 TierSchG durch das Dritte Änderungsgesetz von 2013 erlaubt nun ein Verbot einer Qualzucht, wenn nach züchterischen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Prognose gerechtfertigt ist, dass das Fehlen oder die Untauglichkeit oder die Umgestaltung von Körperteilen oder Organen für den artgemäßen Gebrauch vererbt wird und, dass auf Grund dieser Vererbung Schmerzen, Schäden oder Leiden bei der Nachzucht oder deren Nachkommen auftreten. Es muss nun nicht mehr überwiegend wahrscheinlich sein, dass Schäden signifikant häufiger auftreten, als es zufällig zu erwarten wäre. In der alten Fassung des §11b konnte die lediglich naheliegende Möglichkeit, dass es zu Schäden kommen werde, nicht ausreichen für ein Zuchtverbot (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 17.12.2009, 7 C 4/09 Haubenenten).
Gutachten zur Auslegung von Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes
2.1.2.1.4 Anomalien/Abweichungen des Haarkleides (Bezugnahme auf Katzen)
Empfehlung: Zuchtverbot (siehe Seite 15, Nr. I) für Katzen, bei denen die Tasthaare fehlen. Empfehlung an die Zuchtverbände (siehe Seite 15, Nr. IIa): Änderung des Rassestandards zur Vermeidung von Tieren, bei denen die Tasthaare stark verkürzt oder gekräuselt sind.